Freitag, 2. August 2013

Eine etwas andere Verabredung



Als ich morgens die Augen aufschlug, war sofort ein Kribbeln und eine Art Aufregung in mir zu spüren.
Ich brauchte eine Weile, bis ich verstand, dass ich aufgeregt war und dass ich deswegen auch dieses Gefühl im Bauch spürte.
Es waren nur noch ein paar Stunden, dann wäre es endlich so weit.
Ich würde endlich wieder meinen Bekanntenkreis erweitern und eine weitere Autistin im Reallife treffen.
Au weia was für eine positive Aufregung. Das heutige, morgendliche Einkaufen fiel mir darum auch etwas schwer. Normalerweise vergesse ich nie etwas, doch heute waren es schon 5 Teile die ich im Laden ließ.
Wenn das so weiter ginge, würde ich bestimmt meinen Schlüssel und das Handy auch noch vergessen.
Aus dieser Befürchtung heraus, packte ich diese Sachen schon Stunden vorher in meine Handtasche und hängte sie an die Haustürklinke, so konnte ich sie auf gar keinen Fall liegen lassen.
Dann war es endlich so weit. Ich fuhr mit einem Zug, der schon 1,5 Stunden vor der Zeit an meinem Zielort ankam.
Dieser Zeitpuffer wird hoffentlich reichen , dachte ich, als ich am Bahnsteig stand und nervös auf meinen Zug wartete.
Auf dieser Strecke ist der Zug wenigstens schön leer.

Wir wollten uns an einer Rheinpromenade treffen. Ich wusste ja nicht wie sie aussah und machte mir während der ganzen Fahrt Gedanken darüber.
Ob ich sie wohl erkennen würde? Denn schließlich hatte ich nach keinem Erkennungsmerkmal gefragt, nur die Uhrzeit und der Treffpunkt waren klar.
Doch dort wo wir uns treffen wollten, war immer sehr viel los. Viele Fußgänger machten Ausflüge dort hin, schauten den Schiffen zu oder gingen zum chillen, in eins der vielen Cafes.
Ich schlenderte durch die Stadt auf den Treffpunkt zu, doch hatte ich natürlich noch viel zu viel Zeit. Deswegen ging es für mich erst einmal an dem Treffpunkt vorbei und ich suchte schon einmal ein geiegnetes Eiscafe aus.
Als ich zurück am Treffpunkt eintraf,waren es immer noch 10 Minuten Zeit. Ich setzte mich auf eine Bank und schaute mich ein wenig fragend um. Schon auf dem Rückweg dorthin hatte ich mich  immer mal wieder gefragt, ob einer der vielen Leute, die mir entgegen kamen, meine Verabredung sein könnte. Doch bei allen wiegelte ich sofort gedanklich ab. Nein. Keiner von denen die mir über den Weg liefen, war meine Verabredung da war ich mir total sicher.
Nun saß ich auf dieser Bank und mein Blick streifte über die Rheinpromenande.
Als mir auf einmal Jemand auffiel der Abseits unseres verabredeten Treffs stand.
Mir ging ein komischer Schauer durch meinen Bauch und ein Gedanke blieb sofort fest in meinem Kopf hängen: Da ist sie. Ohne es eigentlich zu wissen, war ich fest der Überzeugung meine Verabredung gefunden zu haben. Sie sah nicht aus, als würde sie auf jemanden warten, sondern schaute sich eher total gebannt die vorbei fahrenden Schiffe an.
Ich sah ihr eine zeitlang zu. Sollte ich auf sie zugehen, oder doch besser warten bis sie sich umdreht. Ich war mir unsicher.
Aber sie ist es. Gar kein Zweifel. So schossen meine Gedanken unaufhörlich in meinem Kopf weiter. Wie um Himmels Willen, erkenne ich nur immer wieder, wenn ein Autist vor mir steht? Woran mach ich das nur fest? Ich weiß es nicht. Ist es das Gefühl was man hat; vom ersten Augenblick an? Oder doch nur reine Intuition? Oder doch alles nur Einbildung. Bei all den Treffen die ich nun schon mit anderen Autisten hatte habe ich sie immer direkt erkannt. Nein das kann unmöglich Einbildung sein. Das immer gleiche Gefühl schwang bei allen Treffen in mir mit.
Nun lief ich unsicher in ihre Richtung. Sie hatte mich immer noch nicht wahrgenommen. Doch wie von selbst drehte sie sich um, als ich keine 10 Meter mehr von ihr entfernt war. Ich lachte sofort und sie ebenfalls, und ich rief nur noch: „Wie kann es sein das wir uns immer auf kilometerweit erkennen?“
Woran mag das wohl liegen?
Sie zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Ich glaube, wir spüren uns einfach.“, beantwortete sie meine Frage sofort.
Natürlich war dadurch das Eis (rw) sofort gebrochen, und die nächste Eisdiele unsere.
Tief beeindruckt von den Ereignissen, kam ich abends nach Hause und blieb gedanklich noch lange Zeit in der Begrüßungsszene hängen.
Eine wirkliche Erklärung für dieses Phänomen habe ich immer noch nicht.

Aber vielleicht lassen sich manche Sachen einfach nicht rational erklären.

So wird wohl dieser Punkt unerforscht bleiben, bis zum Schluss.