Samstag, 7. Dezember 2019

Das magische goldene Buch


Zum diesjährigen „Nikolautisch“ in unseren Vereinsräumen in Oberhausen gab es von mir mal wieder eine neue Geschichte für Kinder zu Thema Nikolaus.
Viel Spass beim Lesen von „Das magische goldene Buch“

Jetzt auch auf meinem neuen Blog, unter:
https://sam-becker.de/2019/12/07/das-magische-goldene-buch/
Es sollte ein schöner, sonniger Wintertag werden und Marie, die Mutter von Jonas und Leha stand schon mit einer Tasse Kaffee am Fenster einer kleinen Hütte an einem Waldrand. Sie schate heraus uns sah auf die anliegenden Hügel und Bäume, die alle knietief mit Schnee bedeckt waren. Durch den Schnee wurde es hell in der kleinen Holzhütte. Ein Feuer loderte im Kamin des gemütlichen Wohnzimmers und gleich würden ihre Kinder wach werden. Sie liebte die Ruhe, so weit weg von der Stadt in der sie normalerweise wohnte.
Jonas, ihr älterer Sohn, ging in die zweite Klasse der Grundschule und Leha, ihr jüngeres Kind, besuchte seit zwei Jahren den Kindergarten. Si dachte darüber nach, dass Jonas eigentlich diese Woche in die Schule gehen müsste und Leha in den Kindergarten, aber ihre Familie war ein wenig anders. Gerade als sie sich im Kindergarten mit der Erzieherin über Leha unterhielt, weil diese der Meinung war, das es besser für Leha wäre, wenn sie am Nikolaustag einfach zuhause bliebe, rief Jonas Schule an. Schon als sie die Nummer auf dem Display ihres Handys sah, ahnte sie nichts Gutes und ging schon mit einem mulmigen Gefühl an ihr Handy.
„Einen schönen gute Tag. Hier ist das Sekretariat. Ihr Sohn Jonas müsste abgeholt werden, denn er verhielt sich heute Morgen schon so komisch und wollte die Aufgaben die die Lehrerin ihm stellte nicht anfangen und die Hausaufgaben hatte er auch nicht dabei.“
Jonas Mutter schluckte. „Mist“ dachte sie. Jeden Morgen erinnerte sie Jonas eigentlich daran alle Hausaufgaben einzustecken. Sie wusste, dass Jonas sehr unter Stress geriet, wenn er diese vorzeigen sollte, sie aber z.B. nicht fand. Wobei, unter Stress geraten, war da noch sehr milde ausgedrückt, denn wenn er sie nicht dabei hatte und die Erwartungen der Lehrerin nicht erfüllen konnte, dann weinte Jonas meistens los und zur Beruhigung zog er sich in sich selbst zurück. Er warf dann oft seine Kaputze von dem Hoodie über den Kopf und legte sich auf den Schultisch. Das führte oft dazu , dass andere Kinder sich über ihn lustig machten. So war es wohl auch heute. Die Klasse lachte ihn aus und Jonas – ja, er war an dem Punkt eigentlich schon völlig fertig, denn in der Vorweihnachtszeit wurde die Schule ständig mit Girlanden geschmückt. Alles sah anders aus. Überall hingen Lichterketten. In nahezu allen Klassenräumen hingen grüne Tannenzweige herum. Jonas mochte die Vorweihnachtszeit gar nicht, denn all die zusätzlichen Reize und das andere Aussehen seiner Schule überforderten ihn. Kurz dachte die Mutter: „Oh man…..“. Sie wusste was nun kam.
Ein Satz eines anderen Kindes – eine Kränkung wie: „Ahaha.. du Lusche“ – das war für Jonas schon zuviel. Er sprang auf einmal auf. Dabei riss er alle Schulbücher die vor ihm lagen zu Boden und schrie und schlug auf die Tische ein. In kürzester Zeit schmiss er seinen Stuhl durch die Klasse und rannte auf den Flur hinaus. Dort setzte er sich im Schneidersitz eine eine Ecke und versuchte sich zu beruhigen. Die Lehrerin die herbeieilte war leider keine besonders große Hilfe dabei, denn sie redete ununterbrochen auf den jungen Mann ein. Jonas hielt sich die Ohren zu und schrie: „Aufhören, aufhören“. Und die Lehrerin? Ja, die fand sein Benehmen einfach nur frech. Jedesmal wenn sie versuchte Jonas anzufassen, riss dieser sich los und rief: „Nicht anfassen. Nicht anfassen….“, so dass auch die Lehrerin sich nicht anders zu helfen wusste und seine Mutter anrufen lies.
Marie legte den Hörer auf. Die Kindergärtnerin hörte sie noch ins Telefon sagen: „Ich komme sofort. Lassen sie ihn da wo er ist. Lassen sie ihn in Ruhe und fassen sie ihn bitte nicht an.“
In der Schule angekommen, setzte sie sich in den Flur neben ihren Sohn und sprach ganz leise zum wimmernden Jonas. „Alles ist gut. Ich weiß, es ist zu viel für dich hier. Komm, wir gehen nach Hause und ich mache dir dort einen großen Kakao.“ Jonas beruhigte sich nur langsam. Die Zeit drängte, denn gleich würde es zur Pause klingeln und alle Schüler würden heraus gestürmt kommen. „Wir müssen los. Du möchtest doch den Kakao.“. Jonas wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und rappelte sich hoch. Beim rausgehen lief ihnen die Klassenlehrerin über den Weg, die Marie noch schnell einen Brief in die Hand drückte. Marie ahnte schon, was in dem Brief stand. Zuhause angekommen öffnete sie ihn und las: „Liebe Mutter von Jonas. Wir wissen, dass die Situation für alle nicht einfach ist und bitten sie daher darum ihren Sohn bis Anfang des Jahres zuhause zu lassen und im Januar würden wir gerne, dass Jonas eine Schulbegleitung bekommt, damit die Situation für Jonas in der Schule erträglicher werden kann.“ Der Brief war lieb geschrieben, dennoch kamen Marie die Tränen. Schade dachte sie, dass so gar keiner ihren Jungen verstehen wollte. Und dann gab es da ja auch noch Leha, um die die sie sich kümmern musste. Auch bei ihr hatten die Kindergärtnerinnen Bedenken, dass die zusätzlichen Reize in der Vorweihnachtszeit für Leha einfach zu viel wären. Während alle anderen Kinder gmeinsam den Nikolaus feierten und von ihm Geschenke bekommen würden, würden Leha und Jonas nun wohl alleine zuhause feiern müssen.
Marie rief am Abend ihre Schwester an und erzählte ihr von diesem Tag. Maries Schwester, die schon immer sehr speziell war und viel Ruhe brauchte, verstand die beiden Kinder immer sehr gut. Sie war für Marie immer eine Stütze und wenn sie mal ihre Kinder nicht verstand oder nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte, dann hatte ihre Schwester auch immer einen guten Rat zur Hand. Wie auch dieses Mal: „Kannst du dich noch daran erinnern, als wir klein waren und wir in der Vorweihnachtszeit immer in diese kleine alte Waldhütte gefahren sind, weil Vater viel Ruhe brauchte?“. Ja, Marie konnte sich gut erinnern. Die Hütte am Waldrand, wo drumherum nichts außer Felder, Wald und Wiese war. Kein Nachbar, kein Laden. Einfach nur Nichts. Kilometerweit. „Ich sehe das so: „, holte die Schwester aus, „Du und die Kinder, ihr braucht dringend eine Auszeit von der Stadt. Etwas ruhiges. Fahr hin, schau ob die Hütte noch da ist. Nimm Jonas und Leha mit und vergiss für einen Moment den Alltagsmist.“
So kam es dazu, dass Marie am nächsten Morgen die Sachen für ihre Kinder packte, sie ins Auto setzte und hoffte, dass es diese Hütte überhaupt noch gab. Marie hatte lange suchen müssen, bis sie die Hütte endlich wiederfand. Es dämmerte schon. Jonas und Leha waren sehr müde von der Fahrt. Schnell suchte Marie den Schlüssel unter eine Türschwelle. Er sah aus, als wäre gestern er schon ewig nicht mehr benutzt worden. Aber als sie in die Hütte eintrat, war alles so, als wäre gestern erst jemand da gewesen. Holz lag im Kamin, das Sofa vor dem Kamin war mit einem Tuch abgedeckt und ja, sogar die Betten sahen aus als wären sie erste gestern neu bezogen worden. Alles sah aus, als wäre Marie mit ihrer Schwester gestern erst hier abgereist. Kerzen standen auf dem Tisch vor dem Sofa und schnell wurde es mollig warm. Der Kamin loderte und Marie schaute ein wenig den Flammen zu, ehe sie Jonas und Leha ins Bett trug.
Marie wurde aus ihren Gedanken gerissen. Sie stand immer noch mit ihrer Kaffeetasse vor dem Fenster, schaute hinaus und dachte darüber nach, wie herrlich still es hier war. Erst jetzt, in diesem Moment spürte sie, wie dringend sie diese Pause auch wirklich brauchte. Das Stadtleben war laut und anstrendend und hier war alles so ruhig und friedlich. Leha zupfte an ihrem Bein, „Mama, Mama…. ich habe Hunger!“. Gleich daneben stand Jonas mit erwartungsvollem Blick. „Jonas, möchtest du einen Kakao?“. Jonas nickte noch sehr verschlafen und augenreibend seiner Mutter zu.
Es war ein schönes und sehr ruhiges Frühstück. Die kleine Familie nahm sich sehr viel Zeit. Kein Autolärm, kein Hupen, keine LKWs die man hörte. Einfach nur Stille. Schnell tauten die Kinder in dieser Umgebung auf. Marie war die Erste, die aus dem Fenster sah und beim Anblick der weißen Schneedecke große Augen bekam. Es war nicht die übliche matschige, fast geschmolzene Mischung aus Wasser und Salz, wie in der Stadt, sondern der weiße Schnee lag wie eine Decke über der gesamten Landschaft. So weit Marie schauen konnte glitzerte der Schnee von der gerade aufgegangenen Sonne. „Jonas, Jonas, komm schnell.“, rief sie. „Schau mal, wie schön das aussieht. Überall sind kleine Kristalle. Es leuchtet so schön, weiß und hell.“. Nun kam auch Jonas zum Fenster und obwohl er eigentlich nicht dazu zu begeistern war hinaus zu gehen, so was das hier in der Hütte gerade andern. Er rief zu seiner Mutter, „Mutter, können wir rausgehen? Können wir draußen spielen? Bitte, bitte, bitte“. Er flehte Marie schon fast an. Marie antwortete, „Ich muss schauen, ob es hier in der Hütte noch warme Sachen gibt.“. Marie ging in einen kleinen Raum, der von der kleinen Küchenzeile abging. Dieser Raum war ausgestattet wie ein kleine Garderobenraum und es hingen dicke Winterjacken und Schneehosen an den Haken an der Wand. Auch dicke Winterstiefel standen auf dem Boden. Schnell nahm Marie die Sachen von den Haken. Größe sollte passen, dachte sie und als sie die Winterhose so in der Hand hielt, sah sie sich mit ihrer Schwester in diesen Sachen, wie sie als sie noch klein waren, in diesen Sachen durch den Wald rannten und einen Heidenspaß beim Schneeballspielen und Schneemann bauen hatten. Aus diesen Gedanken riss Leha sie jedoch sehr schnell raus. „Können wir endlich raus?“, rief Leha ihr lauthals zu. „Ja, ich bin schon soweit“. Marie kam aus dem Zimmer raus und zog Jonas und Leha die dicke Winterkleidung an.
Hier konnte sie, da war sie sich sicher, ihre Kinder einfach draußen spielen lassen, ohne Angst haben zu müssen, dass ihnen etwas pssieren würde, denn es gab keine Straßen, keine Autos, keine rücksichtslosen Fahrradfahrer und überhaupt gab ein keinen einzigen Menschen, von denen eine Gefahr ausgehen könnte. So schob sie ohne Bedenken Leha und Jonas vor die Tür. Marie drehte sich zum Wohnzimmer um, denn dort stand links neben dem Sofa an der Wand ein Bücherregal. Wie lange hatte sie schon kein Buch mehr gelesen? Wie lange hatte sich sich keine Zeit mehr dazu genommen, aber jetzt nahm sie ein Buch aus dem Regal, aus dem ihr immer ihr Vater als sie noch kein waren vorgelesen hatte. Und Jonas und Leha? Ja, die tobten draußen mit dem Schnee.
Als Jonas einen Schneeball in die Richtung seiner Schwester warf und sich dabei um die Ecke der Hütte versteckte, fiel ihm ein alter Holzschlitten auf, der an der Hauswand lehnte. Leha kam um die Ecke geschossen, „Warte ab, jetzt habe ich dich“, und warf ihren Schneeball in Jonas Richtung. Jonas entgegnete, „Halt mal ein. Schau mal, was ich hier gefunden habe!“, und zog an dem alten Schlitten und stellte ihn auf seine Kufen. Leha beäugte den Schlitten, „Wow, der ist ja groß“, rief sie. So groß, das zwei Kinder bequem darauf platz nehmen konnten. Eine Rückenlehne zierte den Schlitten und seine Kufen waren so lang und nach oben gebogen, dass sie wie zwei Hörner über den Schlitten ragten. Sofort rief Leha,“Auja, Schlitten fahren. Komm lass uns Schlitten fahren“, und schmiss sich auf die Sitzfläche. Jonas zog an dem Seil, das vorne befestigt war. Doch zum Schlittenfahren – da waren sich beide einig – brauchten sie einen Berg und so zogen Jonas und Leha, auf der Suche nach einem Abhang oder einem Hügel, mit dem Schlitten in Richtung Wald los. Sie merkten nicht, dass sie auf der Suche nach so einem Berg und vor lauter Ausgelassenheit und Spielen mit dem Schnee, dass sie immer weiter von der Hütte weg kamen. Und einen Berg, den fanden sie erst einmal nicht. Neben ihnen verlief eine kleine Felswand, die sich nun mit jedem Meter immer höher auftürmte. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen und der Schlitten wurde schwer.
Als die Felswand so hoch war, dass sie doppelt so groß war wie Jonas und Jonas sie ansah, sah für ihn etwas merkwürdig aus. Ihm fiel auf, dass an einer Stelle der Wand der Schnee so glatt aussah, als würde kein Stein und kein Ast darunter sein. Nur aus Neugierde nahm Jonas einen Stock, den er von einem Baum abknickte und stach in die Schneemasse hinein. Und Wusch….
Leha wurde von der Schneemasse die herunter sauste beinahe begraben. Auch Jonas riss es von den Füßen. Doch als sie sich beide wieder aufrappelten und sich den Schnee von den Hosen klopften und auf die Felswand schauten, tat sich hinter dieser Schneewand ein großer Durchgang auf. Dieser führte in eine große geräumige Höhle. Leha hatte Angst und hielt sich an Jonas Arm fest, „Hier ist bestimmt ein Tier drin.“, flüsterte sie Jonas zu. „Komm Jonas, lass uns wieder hier rausgehen.“. Doch Jonas erwiderte, „Hab keine Angst. Ich will ja nur mal schauen. Wir gehen ja gleich wieder.“. Um so weiter sie in diese Höhe hinein kamen, desto heller wurde sie und es wurde auch nicht kälter. Nein, das Gegenteil war der Fall. Es wurde wärmer und wärmer und an den Wänden hingen Fackeln, alle vier Schritte eine Fackel und es war komisch, denn diese gingen an, sobald Leha und Jonas neben ihnen standen. Alles in der Höhle funkelte. Von der Decke der Höhle hingen Eiszapfen herunter. So große hatten Leha und Jonas noch nie gesehen. Das Licht der Fackeln funkelte in Ihnen. Die Wände glitzerten und es lagen Eiskristalle auf ihnen und jede Menge faszinierende Eisblumen rankten über die ganze Höhle. Leha war von diesen Eisblumen so fasziniert und so abgelenkt, dass sie ihre Angst vergas und leider auch nicht mitbekam, wie sie auf einen großen Stein trat und ihr Fuß umknickte. „Autsch, aua“, schrie sie und Jonas fuhr sofort zu ihr herum. „Was ist los?“. Er sah, wie Leha sich hinkniete und ihren Knöchel fest hielt. Sofort lies Jonas den Schlitten los, „Komm, zeig mal her. Kannst du aufstehen?“, und stützte Leha. „Komm setz dich erstmal auf den Schlitten. Ich will mir das ansehen“.
Der Schlitten stand links an der Höhlenwand, als Leha sich daraus setzte. Von hier hatte sie einen guten Überblick über die ganze Höhle und sah, dass sie am Ende angekommen waren. Eine Felswand versperrte den weiteren Weg. Jonas zog ihr die Hose etwas hoch und den Stiefel aus, doch er konnte keine Verletzung erkennen und als er sich so über den Knöchel beugte, flüsterte Leha ihm zu, „Jonas, psst. sei mal leise. Hörst du das auch?“. Jonas horchte auf. Nun konnte er auch etwas vernehmen. Ein leises Sirren, fast wie das Brummen einer kleinen Fliege, wenn sie an einem vorbei fliegt. „Es kommt näher!“, flüsterte Jonas seiner Schwester zu. „Das Geräusch wird lauter. Hörst du das?“, und Leha nickte. Ihr wurde es unheimlich. Schnell zog sie ihren Stiefel wieder an. Jetzt hallte das Summen bereits von den Höhlenwänden zurück. Mittlerweile war es so laut, wie eine große Stubenfliege. Jonas und Leha versuchten das Geräusch zu lokalisieren. Sie ließen ihre Augen durch die ganze Höhle gleiten, aber noch konnten sie nichts sehen. „Jonas, ich habe Angst. Was ist das?“, flüsterte Leha ihm ins Ohr.
Leha und Jonas stockte der Atem. Wenige Sekunden später konnten sie etwas heran sausen sehen. Viel zu schnell und viel zu schmal um zu erkennen, was es war. Es sauste direkt an ihren Köpfen vorbei. Leha konnte noch gerade so eben den Kopf einziehen, sonst wäre sie von dem Ding erwischt worden. Jonas Augenlider schlossen sich sofort. Ein Luftzug ging an ihnen vorbei und das Sirren wurde fast unangenehm in ihren Ohren, als es so vorbei zischte. Als Jonas und Leha wieder hinsehen konnten, trauten sie ihren eigenen Augen nicht. Direkt vor der Wand am Ende der Höhle schwebte etwas, das so aussah, wie eine Vogelfeder, nur diese hier war komplett aus Gold und ihre Spitze war abgeflacht, als könnte man damit schreiben. In dieser Feder spiegelte sich das Licht der Fackeln und sie blieb fast regungslos aber leicht sirrend in der Luft, genau auf Augenhöhe von Jonas stehen.
Wie ein Pfeil zeigte die Feder dabei auf die Wand. Jonas ging um sie herum, nahm Leha dabei an der Hand und flüsterte, „Schau mal. Wie eine Rabenfeder nur komplett aus Gold!“. Leha traute sich nun auch hinzusehen. Fasziniert von dem Goldschimmer und ihrer schönen, schmalen Form, konnten Konas und Leha den Blick nicht von ihr nehmen. Jonas blieb neben ihr stehen und als er gerade nach der Feder greifen wollte, rief Leha, „Nicht. Tu das nicht. Nicht anfassen!“, doch Jonas griff nach der Feder. Diese jedoch, als hätte sie auf etwas gewartet, sauste auf einmal ein Stück zurück. Es sah so aus als wollte sie Anlauf nehmen und flog irre schnell noch einmal an Jonas Augen vorbei und verschwand in der Wand. Jonas schaute verdutzt und Leha rief, „Schau. Da oben! Da oben in der Höhlenwand, da ist sie durch. Da ist ein Loch.“. Jonas sah hoch und sah es nun auch. Ein Loch, das gerade mal so groß war, dass diese shcmale Feder dort hindurch passte. Viel zu weit oben um heran zu reichen oder gar durchschauen zu können. Jonas und Leha hatten sich von ihrem Schreck noch nicht erholt, da dröhnte und vibrierte die ganze Höhle. Steine vielen von den Wänden. Jonas und Leha hatten Mühre sich auf ihren Füßen zu halten, als sie bemerkten, dass die ganze Höhlenwand nun wackelte und sich in der Mitte ein Spalt auftat. Ein helles Licht und Wärme drangen immer mehr in die Höhle hinein, während sich der Spalt in der Wand immer wieter vergrößerte. Leha war starr vor Angst. Jonas stand wie festgefroren auf einem Punkt. „Was passiert hier?“, rief er Leha zu. Leha schluchzte, „Ich weiß es nicht! Jonas, ich habe Angst. Ich will nach Hause!“.
Dann war es ruhig. Eine fast gespenstige Stille machte sich in der Höhle breit. Der Spalt in der Höhlenwand war nun so breit, dass man bequem hindurch gehen konnte. Das helle Licht, das heraus strahle und ein Duft aus einer Mischung aus Schokolade, Plätzchen und Mandarinen erfüllte die Höhle. Jonas konnte sich endlich aus seiner Starre lösen und Leha traute sich auch, sich wieder zu bewegen. Da beide mehr als Neugierig waren, schlichen sie sich leise in Richtung des Spaltes und schlüpften hindurch. Doch gleich hinter ihnen schloss sich der Spalt wieder. Leha drehte sich blitzschnell um und rief, „Wie kommen wir hier nur wieder raus? Der Spalt ist zu Jonas!“. Doch Jonas, der noch mit dem Gesicht in die andere Richtung gedreht stand, zupfte Leha am Ärmel und meinte, „Schau mal. Schau mal. Was ist das hier?“. Leha drehte sich wieder zu Jonas um. Nun stand sie da und konnte nicht glauben, was sie dort sah.
Ein riesengroßer, runder Raum, in dem am anderen Ende ein riesengroßes Kaminfeuer loderte. Davor, mittig im Raum ein großer, aus Eichenholz mit vielen Verzierungen geschmückter Schreibtisch und davor ein Holzsessel. Sowas hatten Jonas und Leha allenfalls mal in Filmen oder Museen gesehen. Wie ein Thron sah dieser Sessel aus. Die Sitzfläche und die Lehnen waren mit rotem Stoff bezogen. Leha erblickte links an der Wand ein hohes Bücherpult. Auf diesem lag ein sehr, sehr großes und schweres, goldenes Buch. Leha zupfte Jonas am Arm. „Sind wir hier in Hogwarts? Sind wir bei Harry Potter?“. Jonas lachte: „Nein Leha. Harry Potter ist nur eine Geschichte. Den gibt es nicht in echt. Ich weiß nicht, was das hier ist.“
In diesem Moment sirrte es erneut und es wurde sehr schnell sehr laut. Wieder mussten Leha und Jonas ihre Köpfe einziehen, denn direkt über ihnen, von hinten heranrauschend, flog schon wieder eine goldene Feder heran. Jonas und Leha schlossen dieses mal nicht die Augen, sondern sahen, wie diese Feder zum goldenen Buch flog, sich auf der aufgeschlagenen Seite nieder ließ und anfing in kritzelnden Bewegungen etwas hinein zu schreiben. Von der Neugierde gepackt, gingen Jonas und Leha Schritt für Schritt näher an die sich wie von Zauberhand über die Buchseiten bewegende Feder heran. Die Feder bewegte sich in einer Geschwindigkeit über die Blätter, wie kein Mensch jemals schreiben könnte. Dabei schrieb sie nicht nur. Nein, manchmal zeichnete sie auch etwas in dieses Buch hinein. Jonas versuchte auf Zehenspitzen an das Buch und die goldene Feder heranzukommen und streckte seine Finger danach aus, als er auf einmal eine dunkle Stimme hinter seinem Rücken vernahm, „Ho Ho Ho“, verlautete die Stimme, „Nicht anfassen, Junge. Fass das bloß nicht an.“. Jonas und Leha erschraken sehr.
Sie hatten den Mann, der gerade hinter ihnen stand nicht gesehen oder gehört. Wo kam er nur auf einmal her?. Jonas fühlte sich sehr ertappt und drehte sich in seine Richtung um. Er schaute in das Gesicht eines Mannes, dessen Mund und Augen man kaum sehen konnte, denn sein ganzes Gesicht wurde von einem sehr, sehr langen, buschigen, weißen Bart verdeckt. Dieser Mann war sehr groß, hatte sehr breite Schultern und trug einen langen roten Umhang. Doch, noch bevor Jonas aussprechen konnte, was er gerade dachte, rief der Mann in einer düsteren, dunklen Stimme, „Runter. Runter. Köpfe runter, duckt euch schnell!“. „Geht schnell rüber zum Schreibtisch!“, befahl der Mann weiter. Leha und Jonas liefen in gebückter Haltung zum Tisch herüber. Es waren nur ein paar Schritte, doch das Sirren war schneller. Dieses mal war es nicht nur ein kleines, leises und immer lauter werdendes Sirren, sondern es hörte sich so an, als käme da ein ganzer Schwarm von fliegenden Federn auf sie zu. Sie konnten sich gerade noch so zum Schreibtisch retten, als hunderte von diesen goldenen Federn herein flogen und wild durcheinander versuchten zu dem goldenen Buch zu gelangen. Da nur eine Feder nach der anderen landen konnte, schwirrten nun die ganzen anderen Federn oben an der Decke. Leha streckte den Kopf als erste wieder hoch und sah dem Getümmel zu und rief, „Das ist ja irre!“, und schon wieder musste sie den Kopf einziehen, weil eine Feder nur ganz knapp an ihrem Kopf vorbei flog. Jetzt war der große Mann auch bei den Kindern, „Meine Güte, was macht ihr hier? Ihr solltet nicht hier sein. Erst recht nicht im Dezember. Hier ist zu viel Flugverkehr. Himmel Herrgott, das ist gefährlich. Wie kommt ihr nur hier rein?“
Der Mann kniete sich nun vor die Kinder, um nicht selbst von den fliegenden, goldenen Federn getroffen zu werden. Jonas schaute ihn sich genauer an und fragte dann erstaunt, „Bist du der Nikolaus?“.
Er fragte das sehr laut, denn das Sirren war so laut, dass er kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Leha rief im gleichen Moment, „Echt? der Nikolaus? Aber, der kommt doch erst morgen!“.
Bei diesen Worten musste der Nikolaus lachen, „Der Nikolaus arbeitet doch nicht nur an einem Tag im Jahr.“, fügte der Mann grinsend ein.
Während eine goldene Feder nach der Anderen zum goldenen Buch flog und seine Notizen niederschrieb und wieder weg flog merkte der Nikolaus, dass die Kleider der Kinder ganz nass waren und das Jonas vor Kälte zitterte.
„Zieht eure nassen Sachen aus. Ich hänge sie vor den Kamin, dort können sie trocknen. Danach gehen wir uns erst einmal einen schönen Kakao holen. Aber passt dabei auf. Haltet den Kopf unten und kommt mir nach.“
Nachdem die Klamotten vor dem Kamin hingen und der Nikolaus gebückt Jonas und Leha den Weg durch eine kleine Holztür hinter dem Buchständer zeigte.
„Kommt schon. Kommt hier raus.“. Als Leha und Jonas durch diese Tür traten, trauten sie erneut ihren Augen nicht. Sie standen mitten in einem Innenhof. Die Sonne schien, es waren 20 Grad, das Gras war grün und die Umgebung ähnelte sehr einem kleinen Park. In der Mitte dieses Parks stand ein Brunnen, aus dem kein Wasser sprudelte, sondern eher eine braune Kakaomasse. Der Nikolaus nahm zwei Tassen, die auf dem Beckenrand des Brunnens standen und gab eine Leha und eine Jonas. Leha und Jonas hielten die Tassen unter den Brunnen und befüllten sie mit dem Kakao. Am Rand des Brunnens stand eine Bank. Dort ließ sich der Mann mit dem langen Mantel und dem weißen Bart nieder.
„Wie heißt ihr eigentlich?“, fragte der Nikolaus und sah zu Leha. Jonas preschte vor, „Ich heiße Jonas und das ist meine Schwester Leha.“.
„Ok und kann deine Schwester mir ihren Namen nicht selbst sagen?“, fragte der Nikolaus Jonas. Jonas antwortete, „Leha spricht eigentlich nie, oder eher selten mit Fremden. Meistens aber gar nicht. Deswegen antworte ich oft für sie.“.
Leha nippte an ihrem Kakao, saß neben dem Nikolaus und fühlte sich sichtlich wohl. Ihr Blick schweifte zu einem sonderbaren Baum, der ebenfalls in diesem Garten stand. Dieser Baum hatte silberne, kleine Blätter und ganz feine Äste und es schien so, als wäre ihm seine Krone zu schwer, so dass die silbernen, kleinen Ästchen bis auf den Boden herunter hingen. So einen Baum hatte Leha noch nie gesehen. Dann erblickte sie noch etwas ganz oben im Baum. Da saß eine goldene Elster. Ihr Federkleid, jede einzelne Feder, war aus Gold. Leha streckte ihren Zeigefinger aus und zeigte auf den Vogel. „Jonas!“, rief sie, „Schau mal!“.










Der Nikolaus schaute sofort hoch in die Wipfel des Baumes: „Oh, du hast ihn entdeckt. Noch nie hat ihn jemand außer mir gesehen, oder sehen dürfen.“, sagte er mit langsamer, ruhiger Stimme.
„Magst du ihn dir mal näher betrachten?“. Leha nickte heftig mit dem Kopf und der Nikolaus stieß einen leisen, sanften Pfiff aus.
Die goldene Elster breitete ihre wundervollen, großen Schwingen aus. Als sie heruntersegelte konnte man nahezu jede einzelne Feder gut erkennen. Als die Elster sich auf den Arm vom Nikolaus niederließ, wippte Leha aufgeregt auf den Füßen auf und ab. Der Nikolaus schaute erneut zu ihr hinüber, „Magst du ihn auch mal halten?“. Ihr Nicken war so heftig, dass der Nikolaus Angst hatte, sie würde sich ihren Nacken verknacksen. „Ist ja gut Leha. Komm und gib mir deine Hand“. Als Leha ihre Hand in die seine legte, hüpfte der Vogel sogleich auf ihren Handrücken. Auch Jonas kam näher und sie konnten diesen einzigartigen Vogel sogar vorsichtig streicheln. Der Nikolaus schaute in seine Tasse Kakao und hielt sie erneut unter den Brunnen und setzte dann zum erzählen an.
„Wisst ihr, dieser Vogel ist einzigartig. In gibt es nur einmal auf der Welt.“.
Jonas fragte: „Aber, woher kommt der Vogel, wenn es ihn doch nur einmal gibt?“. Der Nikolaus lächelte und erklärte: „Vor langer, langer Zeit gab es eine goldene Feder. Niemand wusste, wo sie her kam und sie fand das goldene Buch. Auf dem Buchrücken zeichnete die goldene Feder dann diesen Vogel und der Vogel breitete seine Flügel aus und flog einfach so aus dem Buch heraus. Ihr müsst wissen, es ist nicht einfach nur ein Buch. Es ist das magische, goldene Buch. Das Buch, das den Vogel und die Federn an sich bindet. Sie finden immer zueinander und jedes Jahr wirft der Vogel sein Federkleid ab und jede Feder, die zu Boden fällt, fängt an zu fliegen. Sie fliegt aber nicht irgendwo hin. Jede einzelne Feder fliegt zu einem Kind und nimmt die schlimmen Dinge, die es getan hat aus deren Gedanken heraus und trägt diese dann zum goldenen Buch. Dort schreibt jede Feder über jedes einzelne Kind, das der Nikolaus besuchen geht, dessen Unartigkeiten rein. Ihr kennt doch das goldene Buch vom Nikolaus? Jonas, du hast es bestimmt doch schon öfter gesehen?“. Jonas nickte und der Nikolaus fuhr fort, „Hast du dir denn noch nie Gedanken darüber gemacht, wie der Nikolaus von allen Kindern die Untaten in diesem Buch haben könnte?“
Jonas schüttelte den Kopf. Nein, tatsächlich war ihm dieser Gedanke noch nie gekommen, aber jetzt wo der Nikolaus das sagte, fiel es ihm auch auf, dass er nie die Frage gestellt hatte, woher der Nikolaus all diese Dinge wissen konnte.
„So, nun weiß du es. Die Federn sammeln von jedem Kind die Untaten ein. Aber jede Untat kann auch mit einer guten Tat wieder wettgemacht werden. Und so sammeln sie auch diese ein. Sehr viele Kinder haben halt genauso viele Untaten, wie gute Taten vollbracht und somit heben die sich gegenseitig wieder auf und die Seiten dieser Kinder bleiben leer und bekommen eben einfach mehr von mir.“
Mit diesen Worten nahm er den Vogel von Lehas Hand und lies ihn wieder frei. Er flog sofort in die Baumkrone zurück und schloss müde die Augen.
„So, nun kennt ihr das große Geheimnis des großen, magischen Buchs. Aber eigentlich dürft ihr das gar nicht wissen und dürft es auch nicht erzählen, denn sonst löst sich das Buch in Luft auf und kein Kind dieser Welt wird jemals wieder von einem Nikolaus beschenkt werden.“
Jonas war baff und aus ihm schoss die frage, „Es gibt nur ein Buch? Aber so viele Nikoläuse in Kindergärten, in den Einkaufshallen, in der Schule….
Wie bekommen die alle die Schriften?“
Nikolaus lächelte, „Weißt du Jonas, das ist so: Es gibt nur ein goldenes Buch in das die Federn hinein schreiben können, aber sobald sie das getan haben, stehen alle Sachen auch in den Büchern der Nikoläuse dieser Welt.“
„Wirklich in allen?“, rief Jonas. „Ja, wirklich in allen!“, erwiderte der Nikolaus. Und Leha fügte hinzu, „Ist das dann wie bei Facebook? Da schreibt auch nur einer und alle sehen das.“. Bei diesem Kommentar musste der Nikolaus laut lachen und meinte, „Das ist das Beste, was ich in diesem Jahr gehört habe, aber ja, vielleicht könnte man das sogar damit vergleichen.“
Jeder Nikolaus auf der Welt hat geschworen das Geheimnis des goldenen Buches, des goldenen Vogels und der goldenen Federn zu beschützen und zu bewahren. Niemand darf jemals von dem, was ihr hier gesehen habt erfahren. Leha schrieh auf, „Auch Mama nicht?“. Der Nikolaus überlegte kurz und sprach, „Naja, vielleicht machen wir bei deiner Mama mal eine Ausnahme.“. Er lächelte und sah dabei sehr zufrieden aus.
„Aber da du Marie jetzt erwähnt hast….“. Jonas rief sofort, „Woher weißt du, wie unsere Mutter heißt?“. Verschmitzt schaute der Nikolaus auf beide Kinder herab: „Na, weil ich der Nikolaus bin und der Nikolaus weiß nunmal alles.“. Mit dieser Antwort gab sich Jonas nicht zufrieden. Der Mann mit dem weißen Bart sagte, „Kommt. Eure Sachen müssten trocken sein. Eure Mutter wird bestimmt schon nach euch suchen.“. Jonas und Leha trotteten wieder hinter dem Nikolaus durch die Tür hinein.
„Autsch. Verflixt, schon wieder. Ich wünschte die Federn hätten ein besseres Navi an Bord, dann würden die meinen Kopf nicht immer treffen!“, schimpfte der Nikolaus und hielt seine Hand vor seine Stirn. „Das gibt wieder Beulen dieses Jahr.“.
Jonas und Leha mussten lachen und duckten sich, als die übrigen Federn wieder in den Raum hinein flogen und um ihre Köpfe herum sausten. Schnell zogen sie sich ihre Sachen in gebückter Haltung vor dem Schreibtisch an, bevor der Nikolaus sie liebevoll durch den Spalt in der Höhle zurück führte. „Eure Mutter kommt euch bestimmt gleich holen.“, lächelte der Nikolaus ihnen zu. Er gab beiden noch schnell eine warme Tasse Kakao und eine große Decke und schloss dann die Felsenlücke hinter sich wieder zu.
In diesem Moment hörten sie von draußen schon ihre Mutter rufen, „Jonas, Leha. Wo seit ihr nur?“. Das Rufen ihrer Mutter wurde immer lauter, „Wo seit ihr? Es ist schon dunkel!“
Marie kam gerade in die Höhle auf der Suche nach Jonas und Leha, als sie dachte, sie hätte sich verschaut. Sie sah etwas, aber das konnte doch nicht sein. Es sah aus, wie ein riesengroßer roter Umhang, der gerade in der Felswand verschwand. Ein Schauer zog sich über ihren Rücken und sie erinnerte sich an etwas, das sie schon lange verdrängt und als Traum abgetan hatte. Aber bevor sie darüber weiter nachdenken konnte, rief sie noch einmal, „Jonas, Leha! Wo seit ihr?“
Jonas antwortete sofort, „Hier Mutter. Wir sind hier. Leha hat sich den Fuß verstaucht.“. Marie eilte die letzten Meter herbei und umarmte ihre Kinder.
„Wisst ihre eigentlich, wie lange ich euch schon suche? Wisst ihr, was ihr mir für einen Schrecken bereitet habt? Ich bin so glücklich, euch endlich gefunden zu haben.“. So nahm sie Jonas und Leha in den Arm.
Sofort merkte sie an, „Warum sind eure Sachen so trocken? Und wieso habt ihr Kakao in diesen Tassen und wer hat euch nur diese große Decke gegeben?“. Jonas und Leha grinsten sich an und aus Leha sprudelte es heraus, „Mutter, Mutter, wir haben den Nikolaus gesehen und da war eine goldene Feder und ein goldenes Buch.“. Sie redete und redete so schnell sie konnte und die Mutter konnte nicht folgen. „Ach ja, meinst du? Das hast du bestimmt geträumt. Sowas gibt es doch nicht.“ – „Doch, doch Mutter. Ich habe es gesehen!“, und auch Jonas bestätigte ihre Aussage. „Nein, ihr beiden. Das müsst ihr geträumt haben. Ihr werdet wohl eingeschlafen sein, dort in der Höhle.“
Überglücklich ihre Kinder endlich wieder zu haben, setzte sie die beiden auf den riesengroßen Schlitten und zog die beiden Geschwister zur Holzhütte zurück. Es war schon sehr spät und sehr dunkel, als sie endlich an der Holzhütte ankamen. Marie, die überglücklich war, ihre Kinder wieder zu haben, merkte man die Anstrengung und die Aufregung, die sie in sich gehabt haben musste, deutlich an. Als sie ihre Kinder ins Bett getragen hatte und sie zudeckte, rief sie völlig erschöpft ihre Schwester an. Sie hatte ihrer Schwester vor Stunden Bescheid gegeben, dass sie sich nun auf die Suche nach ihren Kindern machen würde. Sie hatte darum gebeten, sofort angerufen zu werden, wenn Marie die Kinder gefunden hat.
„Hi. Und? Hast du sie gefunden?“ – „Ja, du wirst es kaum glauben, wo ich sie gefunden habe.“, erzählte Marie hektisch. „Kannst du dich noch an die Höhle erinnern, in der wir uns als Kinder verlaufen hatten?“ – „Meinst du die Höhle, in der wir den Nikolaus und das magische Buch und die magische Feder getroffen haben?“, fragte die Schwester.
Marie antwortete, „Ach komm, hör auf. Unsere Mutter hat uns, als sie uns damals fand gesagt, dass wir das nur geträumt hätten. Davon war nichts echt. Nur ein Traum, nichts weiter.“ – „Ach Marie. Vielleicht warst du auch einfach nur zu klein, aber ich sage dir, das war alles echt. Wir haben das alles wirklich erlebt und glaube mir doch endlich.“. Marie antwortete, „Nein, das war nur ein Traum.“ und ihre Schwester entgegnete ihr, „Ja? Und was meinst du, wo der Kakao und die Decke damals her kamen, als unsere Mutter uns fand?“. Marie überlegte kurz, „Die werden wir bestimmt in dieser Höhle gefunden haben. “ – „Ach wirklich? Meinst du das wirklich?“
Marie stockte kurz, „Aber weißt du was? Meine Kinder erzählten mir heute genau die gleiche Geschichte, wie wir sie damals erlebt haben. Sag mal, hast du ihnen jemals davon erzählt?“. Maries Schwester, „Ich? Nein, ich habe weder Jonas noch Leha etwas davon erzählt. Du weißt doch, wir durften niemandem davon erzählen, außer unserer Mutter.“ – „Ja, ich weiß.“, antwortete Marie, „Wie auch immer. Ich bin kaputt und glücklich, dass die Kinder wieder da sind. Ich leg jetzt auf und leg mich schlafen.“
In dieser Nacht hörte nicht nur Jonas und Leha ein leises Summen und als die beiden kurz blinzelten sahen sie, wie eine goldene Feder um ihren Kopf herum surrte. Leha und Jonas lächelten sich an und Leha flüstere leise, „Vielen lieben Dank Nikolaus, für so einen schönen tag. Was ich mir zum Nikolaus wünsche ist, dass dein Geheimnis niemals aufgedeckt wird, damit alle Kinder dieser Welt den Nikolaus niemals vergessen. P.s.: Ich habe noch nie einen leckereren Kakao getrunken als aus deinem Brunnen.“
Marie blinzelte ebenfalls. Zu ihrer linken sah sie eine goldene Feder und leise sprach sie, „Danke lieber Nikolaus, dass du heute so verdammt gut auf meine Kinder aufgepasst hast, so wie du damals auf mich und meine Schwester aufgepasst hast. Ich weiß jetzt wieder, dass es dich wirklich gibt. Ich wünsche mir, dass du weiterhin alle Kinder dieser Welt so gut beschützt, wie du es bei meinen heute getan hast.“
Als die goldenen Federn zu dem goldenen Buch zurück flogen, schaute der Nikolaus in das Buch und las die Zeilen, die ihm Marie, Jonas und Leha über die Federn mitgeteilt hatten. Zufrieden und glücklich zündete er sich eine Pfeife an und setzte sich dabei auf seinen großen Thron und leise hörte man ihn flüstern, „Ja Marie. Für dich habe ich das gern getan.“
Und als alle am nächsten Morgen aufwachten und auf dem Kalender der 6.12. stand und es Nikolaustag war, trauten sie ihren Augen nicht, als sie ins Wohnzimmer kamen, auf dem Tisch drei riesige Tassen Kakao standen und der ganze Tisch über und über mit Schokolade bedeckt war. Als sie noch staunend davor standen, entdeckte Leha etwas sehr kleines, funkelndes in de bunt eingepackten Schokoladen-Naschereien. Sie griff danach und zog es heraus. Beim rausziehen sirrte es ganz leise und in ihrer Handfläche hielt sie eine klitzekleine goldene Feder. Die kleine Feder hängten sie über den Kamin, so dass sie sich jedes Jahr aufs Neue an diesen schönen Nikolausabend erinnern konnten. Noch viele, viele Jahre später kamen Jonas und Leha jedes Jahr wieder zum Nikolaustag in diese Waldhütte. Längst hatten sie eigene Kinder und ihre Geschichte erzählten sie jedes Jahr zum Nikolaus ihren Kindern. Und wer weiß, vielleicht, wenn wir ganz leise sind, hören wir in dieser Nacht die goldenen Federn, wie sie sirrend um die Kinder fliegen und ihre Geschichten einsammeln.










Und damit wünschen wir von „Autismus – einfach anders e.V.“ euch einen schönen Nikolaustag.

Sonntag, 24. November 2019

Autismus-Fachtagung Aachen 2019



Seit langer Zeit war ich mal wieder auf einem Autismus-Fachtag unterwegs. Diesmal ging es nach Aachen. Dort lud die gemeinnützige GMBH Autismus Aachen zum Thema "die jungen Wilden - Autismus und Pubertät" ein.

Vier Vorträge waren angesetzt. Im Vorfeld wollte ich mich Informieren, ob eine Begleitperson willkommen war und ob es für Begleitpersonen Vergünstigungen gibt. Leider fand ich, wie bei vielen Veranstaltungen, keine Informationen darüber. Aber nach Anfrage meiner Begleitperson bekamen wir dann für sie zumindest ein vergünstigtes Ticket, was ich in anbetracht dessen, dass auch ein Mittagessen angeboten wurde ok fand.
Ich habe schon oft Fachtagungen besucht, die sich mal mehr, mal weniger, auch auf autistische Besucher eingestellt hatten. Leider ist es häufig der Fall, dass gerade z.B. bei einer Essensausgabe nicht darauf geachtet wird, das man nicht in einer Masse anstehen kann, oder in einem riesigen Raum wegen der sensorischen Überlastung eher nicht speisen kann.
Hier gab es, was sehr angenehm war, zwei Essensäle. Der eine eher hektisch und laut, der andere hingegen etwas leiser und an das Buffet kam man auch besser heran und zwar ohne Gedrängel. Ich schätze die Anzahl der Besucher auf 200 bis 250 Menschen. Wie immer (was ich sehr bedaure) gab es eher wenige autistische Menschen auf dem Fachtag.

Los ging es dann mit einem Vortrag von Herrn Prof. Dr. Rödler mit dem Thema "Krise ist immer auch Bewegung - Autismus im Brennpunkt - Pubertät als krisenanfällige Zeit".


Der Vortrag war schlüssig, enthielt aber keine Neuigkeiten für mich. Er sprach darüber, dass die Pubertät eine krisenhafte Zeit wäre. Man konnte dem Vortrag gut folgen. Vielen Punkten konnte ich zustimmen, bei einigen blieb ich skeptisch. Eines muss ich jedoch anmerken, was mir unangenehm auffiel. Der Professor erläuterte, dass er in der Vergangenheit mit einer Autistin auf der Bühne gestanden hätte, die neben der Bühne einen schalldichten Raum hatte, damit sie im Falle einer Überlastung, durch Schläge auf die Wand oder den Oberschenkel und laute Geräusche ihren Stress reduzieren konnte.
Er sagte, ihr wäre das vor einem Publikum peinlich, deswegen bekam sie neben der Bühne diesen Raum. Was mich ungemein erschrocken hat war, dass er im Zuge seiner Erklärungen zum Stressabbau das Verhalten dieser Autistin auf äußerst irritierende Art nachgeäfft hat.
Ich halte mal fest: diese Autistin macht das im stillen Kämmerlein, weil es ihr peinlich ist dies vor anderen Menschen zu tun und der Professor breitet auf einer anderen Veranstaltung genau dieses Verhalten vor dem Publikum aus, indem er sie - man kann es nicht anders sagen - nachäfft und damit auf unzumutbare Weise bloßstellt und erniedrigt. Meiner Meinung nach hätte man das sensibler lösen können und MÜSSEN. Eine Umschreibung dessen hätte hier vollkommen ausgereicht, auch wenn diese Autistin bei dieser Veranstaltung nicht zugegen war. Bis auf diesen Fauxpas, erklärte er sehr gut und man konnte seinen Aussagen sehr gut folgen. Auch wenn ich nicht bei jeder These bei ihm war.

Der zweite Vortrag wurde von Frau Katharina Bayer, Fachärztin für Kinder und Jugendpsychiatrie gehalten. Auch hier wurde verständlich erklärt. Man kam gut mit und an manch einer Stelle hat sie mit Sicherheit dazu beigetragen, einigen Menschen im Publikum ihre Ängste zum Thema Psychopharmaka zu nehmen. Auch wenn ich hier eine sehr feststehende Meinung habe, respektiere ich, wenn es anderen Menschen anders ergeht.
Alles in allem gut und schlüssig erklärt, Wirkweisen und Zusammensetzungen erläutert, aber leider fehlte mir auch in diesem Vortrag ein wichtiger Zusatz und zwar der, das autistische Menschen mit unter paradox, bzw. konträr auf Medikamente reagieren und auch andere Nebenwirkungen bekommen können, die nicht in der Packungsbeilage aufgeführt sind. Es könnte allerdings sein, dass dieser Hinweis noch gebracht wurde, denn ich bin ca. 5 min vor Beendigung es Vortrags bereits in die Pause gegangen, um den herausströmenden Menschen zu entgehen.

Das Mittagessen wie eingangs schon erwähnt, war gut und ich habe sogar noch etwas abbekommen. Das ist nicht immer und überall der Fall, denn wenn alle Menschen sich anstellen, kann ich nicht in diesem Getümmel mitten drin sein und muss warten, bis alle anderen Menschen ihr Essen bekommen haben. Bei vielen Veranstaltungen ist es aber oft so, dass sobald das Getümmel vorbei ist und man in Ruhe zum Buffet gehen könnte, dieses auch schon leergeräumt ist. Deswegen habe ich mich hier gefreut, trotz des Wartens noch etwas bekommen zu haben und in dem zweiten, ruhigeren Saal essen zu können. Wenn ich Punkte für Inklusion vergeben müsste, hätten sie von mir 7 von 10 möglichen Punkten bekommen.

Von 13.15 - 14.45 Uhr ging es weiter mit dem Thema: "Sexualität und Partnerschaft" von Dr. Andreas Krombholz und Bodo Teschke von der StiftungVollmarstein. Ich war angenehm überrascht, da ich bei dem Vortrag das Gefühl hatte:  jawohl da hat jemand den Autismus an sich wirklich verstanden. Und das nicht nur fachlich. Hut ab, das war wirklich gut. Es wurde viel über übergriffiges Verhalten von autistischen Menschen auf Andere gesprochen und Beispiele gebracht, wie man dem Autisten erklären kann, dass sein Verhalten übergriffig ist und wie man Regeln dazu erarbeitet und Grenzen setzt. Leider fehlte mir in diesem Bereich ein extrem wichtiger Punkt. Bis zum Schluss hatte ich noch gehofft, dass die Vortragenden das Thema noch bearbeiten würden, doch leider kam da nichts, so dass ich mich gezwungen sah einen Einwand einzubringen. Die ganze Zeit wurde nur von übergriffigem Verhalten von Autisten auf nicht-Autisten gesprochen, jedoch nicht darüber, dass Autisten selbst noch viel öfter Opfer von übergriffigem Verhalten durch Neurotypische werden. Dies ist die andere Seite der selben Medaille und muss in diesem Zusammenhang auch besprochen werden. Die Vortragenden waren diesem Einwand gegenüber auch aufgeschlossen und meinten es wäre ein guter Einwand, das würde tatsächlich in ihrem Vortrag fehlen. Schade das es nicht länger erörtert wurde.

Zum guten Schluss gab es noch den Vortrag "O(h)n(e) L(e)ine - Medienkonsum, Gefahren Nutzen, Kontrollmöglichkeiten" von: Gregor von Overheidt
Hier ging es um Socialmedia-Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. Gleichzeitig ging es aber auch um Konsum und Suchtgefahren, besonders bei Spielen wie Egoshootern. Der Tenor war: man sollte diese Zeit begrenzen. Mein Einwand, das auch ein Spezialinteresse Computerspiel eventuell dabei helfen kann, einen Job zu bekommen wurde leider abgebügelt. Das wäre so selten, das Autisten in diesen Bereichen gut genug werden würden, da wäre ein Treffer im Lotto wohl wahrscheinlicher. Ich dachte, schade das dieser Mensch so wenig Ahnung vom Thema Spezialinteresse hat. Spezialinteressen sollte man immer auch als Chance begreifen und ich habe in den vergangenen zehn Jahren mehr als genug Beispiele gesehen, bei denen ein solches Spezialinteresse zum Erfolg geführt hat.

Mein Fazit:
Vieles war gut, aber bei jedem einzelnen Vortrag fehlten mir die wichtigsten Hinweise und wichtigsten Punkte. Es waren meiner Meinung nach (wie meistens) viel zu wenig Autisten im Publikum. Eine Autistin wurde nachgeäfft und somit der Lächerlichkeit preisgegeben (was ich mir auf jeder Bühne verbitte). Wie bei vielen anderen Fachtagungen fühlte ich mich als Autistin nicht wirklich willkommen und inkludiert sondern eher als Forschungsobjekt ÜBER das geredet wird anstatt mit mir. Bei Veranstaltungen die von Autisten selbst ausgerichtet werden fühlt es sich hingegen eher an wie ein Besuch bei der Familie. Bei uns gibt es immer ein wildes Durcheinander. Jeder spricht mit Jedem und dort hatte man das Gefühl, dass jeder für sich in seiner Gruppe blieb. Schade, denn so war auch in der Pause kaum ein Austausch möglich. Was ich noch schmerzlich vermisst habe, ist eine Einstellung getreu dem Motto: "Nicht über uns, sondern mit uns". Ich finde es gehört zu so einer Fachtagung einfach dazu, dass auch autistische Menschen auf der Bühne stehen und ihren Teil zur Informationsgewinnung beitragen. Nicht zuletzt sind Autisten immer auch Experten in eigener Sache.

Und nebenbei:
Im Anschluss trafen wir in Aachen am Bahnhof zufällig noch eine andere Autistin und wir unterhielten uns. Sie transportierte in wenigen Minuten das, was die Vortragenden auf dem ganzen Fachtag in Stunden versucht hatten zu transportieren. Vorträge gut, Möglichkeit zum Essen gut und trotzdem hat immer etwas gefehlt.


UPDATE:

Weil es gerade so schön zum Thema passt: Gestern, am 25. November ist ein Blogpost in Form eines Dialogs erschienen, der sich mit dem Thema paradoxer Wirkung von Medikamenten befasst.